Ankara (IRIB/heise) – In den vergangenen 17 Jahren ist die Zahl der Touristen, die in die Türkei reisen, enorm gesunken.
Das türkische Ministerium für Kultur und Tourismus teilte heute mit, der Tourismus nahm im April im Vorjahrsvergleich um 29% ab und erreichte den niedrigsten Stand seit 17 Jahren.
Diesem Bericht zufolge kamen im April 2015 2,4 Millionen Touristen in die Türkei.
Nach Abschuss eines russischen Kampfjets durch die Türkei, Selbstmordattentaten und Verschärfung der Unsicherheit in diesem Land sank die Zahl der Touristen in diesem Monat auf 1,8 Millionen.
Es wird vorhergesehen, dass bei Abnahme von Touristen in der Türkei, mindestens 500.00 Menschen in dieser Branche ihren Job verlieren. Da man auch davon ausgehen kann, das Erdogans Politik nur extremer und nicht besser werden wird, kann man von einem touristischem Super Gau sprechen in diesem Jahr!
Kaum jemand möchte Urlaub in einem Land machen, welches sich gerade im Moment zu einer der schlimmsten Diktaturen dieser Welt entwickelt.
Russische Sanktionen
Auch die russischen Sanktionen treffen die türkische Wirtschaft empfindlich: Nicht nur die Tourismusbranche ist davon betroffen, sondern auch viele Geschäfte, Taxifahrer und Straßenhändler, die vom Geschäft mit den Touristen abhängig sind. 2015 verzeichnete die Türkei einen Rückgang der Einnahmen vom Tourismusgeschäft von mehr als 8% auf ca. 31,5 Mrd. Dollar.
Der Kreuzfahrt-Anbieter Aida sagte alle Kreuzfahrten in die Türkei ab, die Anbieter MSC und Crystal Cruises haben ebenfalls ihre Türkei-Touren gestrichen. Die zweitgrößte Gruppe von Touristen stellt mit rund 4 Millionen Russland.
Aber auch viele andere Tourismusunternehmen wie z.B. Thomas Cook planen, die Türkei aus ihrem Programm zu nehmen. Medienberichten zufolge sollen wegen dieser Einbrüche bereits 1.300 Hotels im Wert von 10 Milliarden Euro zum Verkauf stehen.
Besonders davon betroffen ist die südtürkische Provinz Antalya. 3 Millionen Urlauber kommen jährlich in die Provinz. Die Stadt Kemer ist bekannt als „Russenhochburg“. Doch diese bleiben weg. Große Hotels, Clubs, Nachtbars und Edelboutiquen müssen schließen. „Es ist eine Katastrophe, der Tourismus in Antalya ist tot.“, so die Klage einer Boutiquenbesitzerin.
Die Türkische-Europäische Stiftung für Bildung und wissenschaftliche Forschung TAVAK rechnet für 2016 nicht mehr mit russischen Touristen, nachdem Russland die Charterflüge in die Türkei komplett gestrichen hat.
Schon im Januar sagte der türkische Tourismus-Minister Mahir Ünal den Flugunternehmen deshalb 6.000 Dollar Treibstoffzuschuss für Verbindungen nach Antalya, Alanya, Bodrum, Dalaman sowie Izmir zu. Allerdings galten die Zuschüsse nur für die Monate April und Mai 2016.
DRV: Sommerurlaub-Buchungen um 40% zurückgegangen
Nach dem Attentat in Istanbul, bei dem 12 Deutsche starben, seien die Buchungen bei den Deutschen regelrecht eingebrochen, berichtet der Spiegel. Der Reiseveranstalter DER Touristik habe nach dem Attentat Einbußen von ca. 25% im Vergleich zum Vorjahr. Der Deutsche Reiseverband (DRV) wird damit zitiert, dass die Buchungen für Sommerurlaube in der Türkei gegenüber dem Vorjahr um 40 Prozent zurückgingen.
Nun kündigte Ministerpräsident Davutoglu an, betroffenen Touristikbetrieben bei der Umschuldung zu helfen. Mit 80 Millionen Euro sollen Fremdenverkehrsbüros und Touristikunternehmen subventioniert werden.
Auch in Deutschland wird für Urlaub in der Türkei geworben. Auf der Reisemesse ITB im März in Berlin belegt die Türkei mit 15 neuen Ausstellern eine ganze Halle – in der Hoffnung auf ein gutes Last-Minute-Geschäft.
Angebote zum Kulturerbe in den kurdischen Gebieten, wie z.B. der Stadtmauer von Diyarbakir (kurd. Amed), der antiken Stadt Hasankeyf, der ältesten bekannten menschlichen Kultstätte Göbeklitepe oder der assyrisch-christlichen Klöster in der Provinz Mardin wird man vermutlich vergebens suchen, wie ein Blick auf den Internetauftritt von www.goturkey.com zeigt.
Auch einen Hinweis auf die kurdische Geschichte und Kultur findet man dort nicht. Auch wird man keinen Hinweis auf eine einzigartige Naturlandschaft an der Grenze zu Georgien finden. In Artwin gibt es große Proteste der Bevölkerung gegen die geplante Abholzung von 80.000 Bäumen und die Errichtung einer Kupfermine.
Die türkische Regierung macht deutsche Umweltschützer für die Proteste verantwortlich. Sie sollen, so die regierungsnahe Zeitung Sabah, die örtlichen Umweltschützer ausgebildet haben. Übersetzt heißt der Titel des Artikels: „Der deutsche Finger in Cerattepe“.
Auswärtiges Amt rät zu besonderer Vorsicht
Bundesinnenminister Thomas De Maizière (CDU) rät Urlaubern trotz der Anschläge in die Türkei zu reisen. Bezogen auf die Attentate in Paris sagte er Mitte Januar in den ARD-Tagesthemen an:
… Wir können doch nicht sagen: Bitte geht nicht in Cafés, geht nicht in Konzerthäuser, geht nicht auf Straßen. Dann hätte der Terror ja schon gewonnen
Demgegenüber rät das Auswärtige Amt
Menschenansammlungen, auch auf öffentlichen Plätzen und vor touristischen Attraktionen sowie der Aufenthalt nahe Regierungs- und Militäreinrichtungen sollten gemieden werden. Zudem sollte die Nutzung von Verkehrsmitteln des öffentlichen Personennah- und Fernverkehrs auf das erforderliche Maß eingeschränkt werden. Auch bei Reisen über Land wird zu besonderer Vorsicht geraten. (…) Von Reisen in das Grenzgebiet der Türkei zu Syrien und Irak, insbesondere in die Städte Diyarbakır, Mardin, Cizre, Silopi, Idil, Yüksekova und Nusaybin sowie generell in die Provinzen Şırnak und Hakkâri wird dringend abgeraten.
Dem kann man nur zustimmen. Der Aufenthalt in diesen Gebieten ist lebensgefährlich, denn dort führt das türkische Militär Krieg gegen die eigene Bevölkerung. So ist es auch nachvollziehbar, wenn in den sozialen Medien die Frage diskutiert wird, ob es noch politisch korrekt sei, als Tourist in die Türkei zu fahren, in ein Land, das seine eigene kurdische Bevölkerung und die des Nachbarlandes Syrien gerade mit Panzern und Artillerie beschießt.
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