Die nordkoreanische Hauptstadt liegt gut 10 Flugstunden von uns entfernt. Eigentlich ein Anlass, sich selbst den sichtbaren Truppenaufmarsch in diesen Tagen mit Gelassenheit anzusehen.
Von: Will Wimmer, Staatssekretär a.D.
Der Aufmarsch von Marineschiffen, selbst mit einem nuklear-betriebenen Flugzeugträger in der Mitte, wirkt weniger bedrohlich als das Auftauchen schwimmfähiger Panzer an irgendeiner südkoreanischer Küste. Da in Zusammenhang mit den amerikanischen Präsidentschaftswahlen weltweit darüber berichtet worden ist, dass sich alle amerikanischen Flugzeugträger in den Hoheitsgewässer von „continental USA“ aufhalten würden, dürfte es sich bei dem jetzigen Aufmarsch in koreanischen Gewässern um eine Planung handeln, die nicht zwingend etwas mit dem Amtsantritt des noch im Amt befindlichen amerikanischen Präsidenten Trump am 20. Januar 2017 zu tun haben muss.
Was denkt Japan?
In zurückliegenden Gesprächen wurde in Tokio immer wieder zum Ausdruck gebracht, wie die japanische Erwartungshaltung in Zusammenhang mit einem Konflikt auf der koreanischen Halbinsel war und vermutlich immer noch ist. Danach wurde davon ausgegangen, dass ein Krieg in Korea sofort die NATO und die deutsche Bundeswehr auf den Plan rufen würde. Erstaunte Nachfragen wurden von japanischer Seite stets mit dem Hinweis auf die global-politische Rolle der NATO und dem Hinweis darauf beantwortet, dass die eigene Verfassung einen Einsatz der japanischen Streitkräfte außerhalb des eigenen Territoriums verbieten würde.
Ob Japan letztlich ein derartiges und aus europäischer Sicht unbegründetes Grundvertrauen in die globalen Einsatzmöglichkeiten der NATO zu Recht artikuliert, mag dahingestellt bleiben, solange die Drohkulisse in Ostasien nicht verlassen wird. Unter dem Ministerpräsidenten Abe ist unverkennbar, dass Japan seine militärischen Muskeln zunehmend losgelöst von Restriktionen der Nachkriegszeit sieht. Für eine der modernsten und größten Marine auf der Welt sind die japanischen Küstengewässer relativ schmal dimensioniert. Nicht auszuschließen ist, dass Japan nach der eigenen Definition seiner Sicherheitsbelange sogar die nukleare Komponente dabei ins Spiel bringen dürfte. Das macht deutlich, von welcher global-strategischen Bedeutung ein glaubwürdiger nuklearer Schutz Japans durch die Vereinigten Staaten ist. Hinzu kommt, dass selbst Okinawa als amerikanischer Flugzeugträger chinesische Ansprüche unter historischen Gesichtspunkten geradezu einlädt. Die Dimension der damit verbundenen Probleme könnte nicht größer sein, wie die riesigen Erdgas-und Erdölfunde zeigen, die zwischen China und Japan waffenstarrend umstritten sind..
Korea zwischen Zusammenarbeit auf der Halbinsel und einer tödlichen Veränderung globalpolitischer Zusammenhänge.
Die vergangenen Jahrzehnte haben deutlich gemacht, wie prekär die Lage für die Vereinigten Staaten ist. Vergleiche mit Europa tun sich dabei auf. In einer Zeit relativer Ruhe und einer auf Zusammenarbeit ausgerichteten Entwicklung in Nordost-Asien haben sich die USA durch Forderungen nach einem Raketenabwehrgürtel in dieser Region hervorgetan. Dadurch wurde und wird der dauerhafte Eindruck erweckt, dass eine jederzeit eskalierende militärische Lage im strategischen Interesse der USA deshalb ist, weil man in Washington glaubt, ansonsten seine eigene Rolle – sei es in Asien oder Europa – nicht mehr spielen zu können. Es steht nicht Krieg oder Frieden auf der Agenda sondern die selbst angemaßte Rolle der USA unter globalen Gesichtspunkten. Die angebliche Bedrohung muss umgeschrieben und der Lage angepasst werden, die es den USA auf Dauer erlaubt, maximalen Einfluss auf Bündnispartner ebenso zu behalten als auch die Grundlage für eine Militärpräsenz nicht erodieren zu lassen.
Ein Kim mit europäischer Alpenerfahrung in Pyongyang?
Ob zu Recht oder nicht, auch ein europäischer Gesprächspartner in Pyongyang muss mit einer nordkoreanischen Sicht der Dinge rechnen. Dabei kann man nie sicher sein, ob nicht diese nordkoreanische Sicht der Dinge im südkoreanischen Seoul geteilt wird. In Seoul ist offenkundig, dass sich zu einem offiziellen Gespräch oft genug jemand dazu gesellt, der gerade von Gesprächen aus dem angeblich verfeindeten Pyongyang nach Seoul zurückgekehrt ist.
Die Gesprächserfahrung in Pyongyang umfasst dabei nicht nur die Erfahrung, die man selbst nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges gemacht hat. Dazu zählte aus der dortigen Sicht auch der Umstand, dass nur ein Haus in der asiatischen Großstadt Pyongyang am Ende des Korea-Krieges stehengeblieben war. Das industrielle Herz Koreas wurde von dem Wetterphänomen „El nino“ derart in der Substanz getroffen, dass das Land geradezu kollabierte. Bei näherem Hinsehen erschließt sich selbst für einen Europäer, dass die ideologischen Ansprüche mit dem Namen „Juche“ auch dem Bemühen gelten, in einer Umgebung, die so ist, wie sie ist, ein gewisses Maß an Eigenständigkeit aufrecht erhalten zu können. Das ist schon der durchaus tragischen Erfahrungen der Koreaner generell in ihrer Umgebung mit ihren Nachbarn auf allen Seiten und Himmelsrichtungen seit tausenden von Jahren geschuldet, in denen niemand freundlich mit den Menschen auf der Halbinsel umgesprungen ist. Kein Wunder ist es unter diesen Umständen, wenn sogar Außenminister darauf verweisen, dass bei den geographischen Gegebenheiten ein Abrüstungsvertrag immer vor dem Hintergrund gesehen werden müsse, die Vielzahl der Höhlen nicht in die Verträge einbeziehen zu können. Wenige Länder auf dieser Erde sind landschaftlich so zauberhaft wie der nördliche Teil Koreas. So wundert es nicht, wenn der jetzige Machthaber Kim seine Schulzeit in der Schweiz genießen konnte. Berge bestimmten Nordkorea und Höhlen zwecks militärischer Nutzung.
Verfemt wie kein anderer Staat, aber deshalb umwissend?
Isolierter geht es kaum noch, als man es über dieses Land sagen kann. Dabei halten sich die Strafmaßnahmen der Außenwelt und die rigide innere Abschottung durchaus die Waage. Das sollte niemanden dazu verleiten, Amtsträgern aus diesem Land Unwissenheit und Weltferne zu unterstellen. Für Asiaten sind sie erstaunlich direkt und extrem kenntnisreich. Angeblich liegt das an einer jahrtausendealten Erfahrung mit der Außenwelt. Jede Information, die von draußen kam, wurde den Verantwortlichen für staatliche Entscheidungen zur Verfügung gestellt und verarbeitet. Man war isoliert, aber wusste Bescheid. Chinesische Gesprächspartner verweisen darauf, dass Nordkorea so in der Wand stehe, dass den Verantwortlichen nichts anderes möglich sei, als strikt logisch zu handeln.
Die USA sagen Nordkorea und meinen andere
Ein Hornissen-Nest ist nichts dagegen, was sich auf der koreanischen Halbinsel zeigt. Russland. Japan, China und Taiwan (mit exzellent zu nennenden Beziehungen zu Nordkorea) und schließlich beide Staaten auf der koreanischen Halbinsel sind angesprochen, wenn Washington Pyongyang auf die Hörner nehmen sollte. Es geht auch anders, aber davon versprechen sich die USA nichts, weil es über ihre Rolle bestimmen dürfte.
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